Nähzimmer

Aus Museumswiki

Einführung

Das Nähzimmer bietet einen Einblick in die Welt des Nähens und Handarbeitens, wie sie im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert üblich war. Es erinnert an die damaligen Nähschulen und den Handarbeitsunterricht, aber auch an die Werkstätten von Schneiderinnen und Näherinnen sowie an die Nähplätze schneidernder Hausfrauen und Haustöchter jener Zeit. Ausgestellt sind Nähmaschinen, Nähutensilien und Werkstücke einer Näherin. Ergänzt wird die Sammlung durch Weißwäsche und Exponate aus dem Handarbeitsunterricht.


Die Nähmaschinen

Eine kurze Geschichte der Nähmaschine

Die Entwicklung der Nähmaschine markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte des Handwerks und der industriellen Fertigung.
Im Jahr 1850/51 stellte Isaac Merritt Singer in Boston, USA, die erste funktionstüchtige und markttaugliche Nähmaschine vor. Dieses innovative Gerät revolutionierte nicht nur die Textilindustrie, sondern legte auch den Grundstein für Singers eigenes weltweites Nähmaschinenimperium. Ab 1855 wurden die in den USA entwickelten Nähmaschinen in Deutschland nachgebaut. Aus kleinen Werkstätten mit Einzelfertigung entstanden umsatzstarke Fabriken. Die anfängliche Modellvielfalt – geprägt durch fantasievolle Gussformen und sichtbare Mechanik – wich zunehmend dem schlichten schwarzen „Einheitslook“, der an die Singer-Form angelehnt war.

Die Verbreitung der Nähmaschine

Für einfache Näherinnen und Hausfrauen waren die frühen Nähmaschinen zunächst unerschwinglich. Erst durch die Einführung von Ratenzahlung um das Jahr 1890 wurde die Nähmaschine auch für Privathaushalte zugänglich. Damit zog sie in viele deutsche Haushalte ein und wurde zu einem unverzichtbaren Werkzeug im Alltag. Die Zentren der Nähmaschinenproduktion in Deutschland um 1895 waren Karlsruhe und Durlach (Gritzner, Haid & Neu), Bielefeld (Dürrkopp, Koch & Cie, Anker), Dresden (Clemens Müller), Altenburg und Kaiserslautern (Pfaff). Zu den renommierten Herstellern zählten zudem Knoch in Saalfeld, Wertheim in Frankfurt und Opel in Rüsselsheim.

Entwicklung der Nähmaschine: 1890 bis 1970

  • 1890–1930: Die äußere Form der Haushaltsnähmaschine bleibt weitgehend unverändert. Da die Nähmaschine nicht mehr als dekoratives Möbelstück wahrgenommen wird, erfreut sich die versenkbare Nähmaschine großer Beliebtheit.
  • 1930–1950: Die klassische schwarze Haushaltsnähmaschine dominiert weiterhin den Markt. Viele Modelle werden jedoch mit einem kleinen Elektromotor ausgestattet. Zick-Zack-Maschinen und erste tragbare Geräte („Portable“) kommen auf.
  • 1950–1960: Aufgrund der Wohnungsnot und des begrenzten Wohnraums setzen sich Koffernähmaschinen durch. Freiarmmaschinen mit Zierstichfunktionen gewinnen an Popularität, und die Gehäuse erhalten zunehmend farbige Designs.
  • 1960: Der Einsatz von Kunststoffen, sowohl für Gehäuse als auch für Lager, nimmt zu.
  • 1970: Die Elektronik hält Einzug in die Nähmaschinentechnik.

Die Nähmaschinen im Museum

Die Anker

Das Unternehmen, das 1876 als "Bielefelder Nähmaschinenfabrik Carl Schmidt Nähmaschinenfabrik" gegründet wurde, erhielt 1906 den Namen "Anker AG". Neben Nähmaschinen produzierte die Anker-Werke auch Registrierkassen, Buchungsmaschinen, Fahrräder und Kleinmotorräder.

In den 1920er Jahren avancierte das Unternehmen zum größten europäischen Hersteller von Fahrrädern und Büromaschinen, wodurch die Produktion von Nähmaschinen in den Hintergrund trat.

Nach dem Krieg wurde die Sparte für Nähmaschinen ausgegliedert, und man begann, Maschinen aus Japan und Frankreich zu importieren. Die Eigenproduktion von Nähmaschinen wurde 1967 eingestellt, und die Markenrechte für "Anker" wurden zwei Jahre später an die japanische Toyomenka GmbH verkauft.

Die ausgestellte Maschine dürfte eine "Anker D" sein. Das Firmenzeichen auf der Nähplatte deutet auf ein Baujahr zwischen 1920 und 1934 hin. Der Nähmaschinenhändler Gebrüder Baumann aus Aue hat seinen Schriftzug auf dem Arm der Maschine sowie auf dem Mittelsteg des Gestells angebracht. Zur Maschine gehört eine Gebrauchsanweisung für die "Anker Rundschiff-Schnellnähmaschine". Auf der Innenseite des Umschlags befindet sich der handschriftliche Vermerk: "Engelsbrand 27.2.2008. Die Nähmaschine gehörte Frau Edith Wacker, Engelsbrand – Siedlungsstr.“

Die Knoch

Die August Knoch Maschinenfabrik, Saalfeld/Thüringen wurde 1860 gegründet, expandierte 1911 als „Ossa Nähmaschinenfabrik August Knoch AG“ und produzierte Maschinen unter dem Namen „Ossa“. Diese Namensgebung wurde spätestens Anfang 1930ger Jahre aufgegeben.
Nach dem Krieg wurde die Fabrik 1949 enteignet und in das „VEB Kombinat Textima“ überführt.
Die Nähmaschinen Produktion in Saalfeld wurde dann 1968 endgültig beendet [1].

Die handbetriebene Maschine wurde wahrscheinlich um 1920 hergestellt und ähnelt der Tretnähmaschine Ossa D2.

Auffällig sind die reichhaltigen floralen Verzierungen an Nähplatte und Ständer. Dies ist keineswegs liebevolle Handarbeit, sondern es handelt sich um Abziehbilder, die nach der zweiten Grundierung aufgetragen und durch eine dicke Lackschicht geschützt wurden. [2]

Eine weitere Besonderheit ist auch die Bezeichnung „Knoch“ auf dem Arm. Hier wurde eine Schriftart verwendet wie sie für die „Ossa“ Maschinen zum Einsatz kam.

Der Griff an der Kurbel wurde wahrscheinlich im Laufe der Jahre erneuert. Ursprünglich war der Griff aus Holz.

Die ausgestellte Knoch Nähmaschine stammt vom Elfinger Hof und wurde wahrscheinlich von der Familie Horsch gestiftet.

Die Wertheim

Josef Wertheim, geboren in im hessischen Rotenburg an der Fulda, gründete 1863 die „Deutsche Nähmaschinen-Fabrik“ in Frankfurt. Wertheim wurde zum modernsten und größten Nähmaschinenhersteller – und ließ dennoch 1932 die Fertigung auslaufen, die Produktion wurde nach Spanien zur bereits 1920 gegründeten Rapida S.A. verlegt. Für die christlich-jüdische Familie war Deutschland zu unsicher geworden. Die Rapida wurde 1943 von dem italienischen Olivetti Konzern übernommen und produzierte bis 1975 Nähmaschinen mit der Marke Wertheim.

Das Markenzeichen der Wertheim Maschinen war ein bergmännisch anmutender Wichtel oder Zwerg mit Hammer. Möglicherweise war dies in Erinnerung an den Geburtsort von Wertheim, Rotenburg und den Bergbau in der Region.

Es handelt sich dabei um eine Wertheim Elektra B die von 1901 bis 1920 in unterschiedlichen Varianten produziert wurde. Unsere Maschine kann auf etwa 1905 datiert werden.

Die Elektra wurde irgendwann auf ein Untergestell der Firma Clemens Müller, Dresden, einer der großen Nähmaschinenhersteller seiner Zeit montiert.

Die ausgestellte Wertheim Nähmaschine stammt vom Schafhof Maulbronn aus dem Haus Nr.28. Die Maschine wurde von Manfred Heinrich dem Museum gestiftet.

Einzelnachweise

  1. Peter Wilhelm: Alte Nähmaschinen. Namen, Daten, Fakten. Mecke, Duderstadt 2002, S.78 ff
  2. Peter Wilhelm, Alte Nähmaschinen, … Seite 17

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